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What the juch

Mit der Antiterror-Einheit gegen Kultur- und Freiraum

Am Samstag Morgen, dem 23. Mai 2020, hat die Stadt Zürich das besetzte Juchareal in Altstetten durch ein Grossaufgebot der Stadt Polizei räumen lassen. Diese Räumung beruhte auf einem politisch undurchsichtigen Spiel von Daniel Leupi (Grüne), dem Vorsteher des Finanzdepartements, und Raphael Golta (SP), dem Vorsteher des Sozialdepartements. Ohne allgemeinen Stadtratsbeschluss, wie er von verschiedenen Seiten gefordert wurde, haben diese beiden Politiker die Besetzung auf dem Juchareal entfernen lassen. Doch auch wenn das Juchareal nun als Besetzung leider verschwunden ist, sind die Themen, mit denen dieser Ort verbunden war und ist noch immer präsent und aktuell. Wir haben noch viele Fragen und Forderungen!

EINE BAUFIRMA UND EIN STADTRAT TREFFEN SICH

Bei der ersten Räumungsandrohung Ende April war weder ein “Grund” für die Räumung noch eine verantwortliche Person bekannt. Erst haarscharf vor der angekündigten Räumung wurde der Termin dafür um einen Monat verschoben und ein Mietverhältnis mit der HRS Real Estate als Nachnutzung genannt. Dieses Mietverhältnis warf von Beginn an viele Fragen auf. Denn nicht nur ist unklar, wer den Vertrag aufgesetzt hat, es ist auch nicht transparent, warum die HRS das Juchareal von der Stadt übernehmen sollte. Ein Monat nach diesem ersten Versuch, hat die Stadt jetzt am Räumungstermin festgehalten. Nun wird die HRS das Juchareal für zweieinhalb Jahre als Bauinstallationsplatz mieten.

Eigentlich müsste die HRS der Stadt Zürich Schadensersatzzahlungen leisten, weil bei einem Rechtsstreit herausgekommen ist, dass ihre Baustelle für die Bodenabsenkungen auf dem Juchareal verantwortlich ist. Doch im März hörten die Messungen zur Klärung der Bodenabsenkungen auf dem Juchareal plötzlich auf. Und nur wenige Wochen danach tauchte die Räumungsdrohung und damit der Deal mit Leupi auf. Wer denkt, dass die HRS dieses Areal zwingend braucht, um das danebenliegende Stadion fertigstellen zu können, liegt falsch. Denn die treibende Kraft hinter dem Deal zwischen Leupi und der HRS war nicht etwa die HRS, sondern der Stadtrat Leupi. Er hat der HRS das Areal angeboten und somit einen Deal erreicht, in dem die HRS das Juchareal mitten in einem Prozess um Schadensersatzzahlungen gleich selber mieten kann. Was auch immer der Deal der HRS bringt – die Annahme, dass sie mit der Miete und der Verantwortung über das Juchareal um die Zahlungen herumgekommen sind, liegt nahe – dem Stadtrat Leupi brachte der Deal vor allem eins: Einen Grund für die Räumung der Juch-Besetzung!

Wenn die HRS das Juchareal zweieinhalb Jahre lang als Bauinstallationsplatz mieten kann, hätte die Besetzung weitere zweieinhalb Jahre ohne diesen Mietvetrag nicht geräumt werden können. Nichts um diesen Deal zwischen Leupi und der HRS ist transparent; die Teile des Puzzles zusammenzufügen fällt nicht schwer, aber wir fordern von der Stadt und der gesamten Politik, dass öffentlich geklärt wird, warum einzelne Stadträte wie Leupi und Golta gegen den Willen ihrer Parteien und gegen den Willen der Menschen dieser Stadt im Alleingang eine Besetzung auf Vorrat räumen können!

DIE EXEKUTIVE UND IHRE ARMEE

Diese einzelnen Personen haben alleine entschieden, dass am Samstag ein riesiges Polizeiaufgebot das Juchareal in die Hände einer grossen Baufirma geholt hat. Wir und viele Weitere fragen: Was steckt genau dahinter? Die Polizei ist am Samstag, als wäre sie die Privatarmee der Exekutive Zürichs, mit übermilitarisierten Spezialeinheiten (namentlich den Scorpions, Einheit 11 der Stadtpolizei Zürich) auf dem Areal eingezogen.

Wieder einmal haben die Polizei und die Politik zusammen ein abgekartetes Spiel getrieben, ihre Macht ausgenützt und haben mit massiver Repression einen Freiraum zerstört. Wie kann es sein, dass diese machoiden Machtspiele von einzelnen(!) Politiker*innen und der Polizei ungeklärt im Raum stehen? Wie es sein kann, dass jetzt nach dieser Räumung alle unhinterfragt Marco Cortesis Beschreibung eines „unspektakulären“ und problemlosen Polizeieinsatzes nachplappern, wenn ein Grossaufgebot von Antiterror-Einheiten in einem autonomen und selbstbestimmten Lebens- und Kulturraum aufmarschieren? Einheiten, die zur aggressiven Terrorbekämpfung ausgebildet sind, werden immer mehr zur politischen Repression eingesetzt. Die Juchbesetzung war kein Terror! Hinter einem solchen Einsatz gegen eine Besetzung steht nicht nur eine komplett absurde Einstufung von linken Aktivist*innen als Terrororganisation sondern politisches Kalkül und Repression!

WER HAT DIE ZÄUNE AUFGESTELLT?

Die Politik und die Menschen dieser Stadt sehen seit Jahren weg, wenn es um die Lagerpolitik des Schweizer Asylwesens geht. Die Lagerpolitik war sichtbar, als in den Baracken des Juchareals noch Menschen gefangen waren. Sie ist noch immer sichtbar in Lagern wie den Bunkern in Urdorf, in Embrach, und auch im Duttweiler. Lagerpolitik ist im Asylwesen Alltag und zu wenige schauen hin!
Die Besetzung des Juchareals war ein Versuch, diese andauernde Thematik aufzuarbeiten und ihr in der Öffentlichkeit Präsenz zu verschaffen. Diese Aufarbeitung wurde von einem Kollektiv bestehend aus Menschen mit verschiedenen Geschichten getragen, so auch Personen, die zuvor in ebendiesen Baracken vom Staat eingesperrt wurden. Das war der Politik, insbesondere dem Vorsteher des Sozialdepartements Raphael Golta (SP) ein Dorn im Auge. Dem Sozialdepartement ist die AOZ (Asylorganisation Zürich), die die Menschen auch dem Juchareal eingesperrt und verwaltet hat, unterstellt. Die öffentliche Aufarbeitung kam ihnen äusserst ungelegen, weil die Menschen in und um die Juchbesetzung den Finger auf diese menschenverachtende Asylpolitik gelegt haben, die lieber unter den Teppich gekehrt werden soll.

Die Geschichtsvergessenheit dieser Stadt ist haarsträubend! Wenn die NZZ (namentlich Fabian Baumgartner und Linda Koponen) entgegen jeglicher Wahrheit behauptet, die Besetzer*innen hätten die Zäune um das Areal gebaut, so ist das nur ein kurzes Aufblinken einer grundsätzlichen und bewussten Ignoranz gegenüber den Unmenschlichkeiten im Schweizer Asylwesen. Das Juchareal war ein Gefängnis!
Die leer stehenden Baracken wurden dann durch die Besetzung zu einem selbstverwalteten und autonomen Ort.

WIR VERTEIDIGEN WEITER FREIRAUM

In den wenigen Monaten, in denen Golta, Leupi und ihre Freunde aus der Privatwirtschaft zusammen dealten, passierte auf dem Areal einiges. Es entstand ein kollektiv verwalteter und freier Raum. Wir haben Aufführungen, Ausstellungen, Konzerte organisiert – es passierte ein Austausch, aus dem viel neues entstanden ist. Es gab eine offene Werkstatt, Siebdrucki, Bibliothek, ein Fitness- und Veranstaltungsraum. Das neu gegründete Radio wird weiterhin senden. Mit minimalem Budget wurde ein Raum belebt und ein Gegenpol zum vorherrschenden Konsumzwang in dieser Stadt geschaffen. Diese Dinge tragen wir weiter an den nächsten Ort. Denn jede Besetzung ist ein Ort, an dem wir uns vernetzen, politisieren und organisieren.

Die Besetzung konntet ihr zwar räumen, aber die Thematik, die das Juchareal für immer mit sich bringen wird, bleibt. Sie bleibt im konstanten Kampf gegen die Entrechtung von Menschen und gegen die Ignoranz aller dieser Politik gegenüber! Sie bleibt im Widerstand gegen alle Lagern, die jetzt noch bestehen! Wir kämpfen weiter! Wenn ihr die Besetzung des Juchareals unterstützen wollt, dann kämpft mit – für Freiräume, für Selbstbestimmtheit und Autonomie und gegen Entmündigung und Lager! Juch bleibt!